Die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude in Sachen Nutzung erneuerbarer Energien und somit im Sinne der Effizienz indirekt auch in Sachen energetischer Sanierung der Liegenschaften wird sowohl von der EU in Form der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG als auch von der Bundesregierung in Form des EEWärmeG gefordert. Seit der Novelle des EEWärmeG von 2011 sind hier auch Bestandgebäude einbezogen. Diese Forderungen sind aufgrund des Klimawandels mehr als berechtigt. Auch die langfristig steigenden Energiepreise nötigen die Kommunen, sich schon heute strategisch mit ihrem Gebäudebestand zu beschäftigen. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund der drohenden Klimaerwärmung notwendig, sondern in jeder einzelnen Kommune auch eine Frage der Daseinsvorsorge.
Zu diesen Herausforderungen wurde in Kooperation mit zehn deutschen Kommunen an der Europa-Universität Flensburg mit Mitteln des BMUB von Oktober 2013 bis August 2015 das Forschungsprojekt "Klimaschutzkonzept 2050 Kommunale Gebäude" durchgeführt, in dem Finanzierungsoptionen für die energetische Sanierung kommunaler Bestandsgebäude identifiziert und evaluiert werden sollten. Als Sanierungsziel wurde eine Unterschreitung der EnEV Neubau 2009-Werte um 30% gewählt. Dieses Ziel ist konservativ, und entspricht bei weitem keinem Passivhausstandard, sondern einem durchschnittlichen Wärmebedarf von rund 50 kWh/m2*a über alle Gebäude einer Kommune resp. alle kommunalen Gebäude bundesweit. Es entspricht bei Sanierung aller Gebäude einer Halbierung des Energiebedarfs. In der Praxis gibt es etliche Kommunen, die ambitioniertere Ziele verfolgen – aber auch Kommunen, die es aus verschiedenen Gründen kaum schaffen die geltende EnEV-Vorgaben zu erfüllen.
Im Rahmen des Projekts wurde deutlich, dass die Finanzierung der energetischen Mehrkosten einer Sanierung nicht das eigentliche Problem darstellt. Bund und Länder haben den Kommunen über Jahre neue und z.T. kostspielige Aufgaben auferlegt, die oft nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Finanzmittel begleitet wurden. Somit fehlen häufig bereits die Mittel für notwendige grundlegende Maßnahmen zur Bestandserhaltung. Der energetische Anteil macht bei solchen Sanierungen nur einen Anteil von 10-25% aus und kann dabei die Wirtschaftlichkeit der Gesamtsanierung durch zukünftig geringere Energiekosten sogar erhöhen. Aus den erhobenen Daten wurde eine dreidimensionale Kostenfunktion entwickelt, die die Abschätzung der Sanierungskosten (inkl. energetischer Mehrkosten) nach den angestrebten Sanierungsstandard und dem Umfang der Sanierungen (leichte Umbauten oder komplette Kernsanierung) erlaubt.
Weder mit bekannten Instrumenten aus der Wirtschaft wie Contracting oder ÖPP noch mit existierenden Förderinstrumenten oder verbilligten Krediten kann dem Dilemma, dass Kommunen einerseits in Bezug auf die Sanierung ihres Gebäudebestand eine Vorbildrolle einnehmen sollen, gleichzeitig aber mit hoher Verschuldung und starken Kreditbeschränkungen kämpfen, gelöst werden. Hier stellt nur die gezielte Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Kommunen eine Lösung dar. Eine einfache Erhöhung des kommunalen Anteils am Steueraufkommen wäre jedoch nicht zielführend. Die zusätzlichen Mittel würden laut Befragungsergebnissen zur Deckung von allgemeinen Defiziten genutzt. Vielmehr müsste ein Sondervermögen "Kommunale Liegenschaften" eingerichtet werden, das rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Sanierung von kommunalen Gebäuden bereitstellt und so eine Förderquote von 50% erlauben würde. Gleichzeitig müssten Kommunen aber auch dazu verpflichtet werden, ihre Sanierungsquote auf knapp 3% zu erhöhen, um alle Gebäude bis 2050 zu sanieren. Für die Ausgestaltung eines solchen Sondervermögens wurden im Rahmen des Forschungsprojekts zusammen mit Praktikern aus verschiedenen Kommunen erste mögliche Kriterien zur Mittelvergabe ausgearbeitet. Darunter fallen das Vorhandensein eines qualifizierten Energiemanagements, die Höhe der Energieeinsparung und die weitere Gebäudeverwendung. Besonders hervorgehoben wurde aber eine unbürokratische Mittelvergabe.
Um den Kommunen die Erarbeitung einer langfristigen Gebäudesanierungsstrategie zu erleichtern, wurde das FinSa-Tool entwickelt. Es ermöglicht Entscheidungsträgern, den Finanzierungsbedarf für (energetische) Sanierungen bis 2050 abzuschätzen. Anhand weniger Angaben zum Gesamtgebäudebestand können drei Sanierungsszenarien hinsichtlich des Energiebedarfs, der resultierenden CO2-Emissionen sowie der Energie- und Sanierungskosten verglichen werden. Die Szenarien sind ein Business-as-usual-Szenario (Entwicklung bei Fortsetzen der gegenwärtigen Sanierungstätigkeiten), ein Klimaschutzszenario (notwendigen Sanierungstätigkeiten zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung) sowie ein individuelles Szenario entsprechend den Zielen der Kommune. Dieser Szenarienvergleich über einen langen Zeitraum unterscheidet das FinSa-Tool dabei von bereits vorhandenen ähnlichen Werkzeugen, die entweder nur eine grobe Einordnung in Vergleichswerte erlauben oder sehr detailliert auf einzelne Gebäude und Sanierungsvorhaben bezogen sind.
Aus dem Forschungsvorhaben konnten Handlungsempfehlungen für Bund und Länder auf der einen und Kommunen auf der anderen Seite abgeleitet werden:
1. Fordern:
a) Die Sanierungsquote gesetzlich auf 3% festschreiben
b) Die Instandhaltung und Sanierung als kommunale Pflichtaufgabe definieren
c) Die Sanierungsstandards weiter sukzessive verschärfen
d) Eine einheitliche Datengrundlage forcieren
2. Fördern:
a) Den Kommunen ausreichende Finanzmittel für Sanierungen bereitstellen
b) Die Fördermittelvergabe entbürokratisieren
c) Eine einheitliche Berechnungsgrundlage für Wirtschaftlichkeitsbewertungen schaffen
3. Langfristige Planungen (Gebäudesanierungsstrategie) einführen
Für die strategische Planung steht den Kommunen mit Abschluss dieses Forschungsprojekts das kostenfreie FinSa-Tool (Open Source) zur Verfügung, das eine Entscheidungsgrundlage für die Festlegung einer langfristigen Klimaschutz-orientierten Sanierungsstrategie zur Verfügung stellt (siehe rechte Spalte).